Abschiedsbrief von Hans-Bernd von Haeften (1905–1944) an seine Frau vom 15. August 1944.
Meine liebe, liebste Frau, meine gute Barbara, wohl in wenigen Stunden werde ich in Gottes Hände fallen. So will ich Abschied von Dir nehmen. Schnell ein paar äussere Dinge. […] Barbara, in diesen Haftwochen habe ich Gottes Gericht still gehalten u[nd] meine „unerkannte Missetat“ [Ps 90,8] erkannt u[nd] vor Ihm bekannt. „Gottes Gebote halten u[nd] Liebe üben u[nd] demütig sein vor Deinem Gott.“ [Mi 6,8] Das ist die Regel gegen die ich verstossen habe. Ich habe das fünfte Gebot nicht heilig gehalten (obwohl ich einmal Werner damit zurückgerissen habe) u[nd] das Gebot der Demut, des „Stille seins u[nd] Harrens“ [vgl. Jes 30,15], habe ich nicht ernst genug genommen. Vor allem habe ich nicht Liebe geübt gegen Euch, die mir anvertraut waren. Um Euretwillen, um Muttis u[nd] der Eltern willen hätte ich von Allem Abstand nehmen müssen. Bitte sage ihnen, zugleich mit meinem tiefsten Dank für all ihre Hilfe u[nd] Liebe, dass ich sie herzlich bitte, sie möchten mir verzeihen.
Barbel, ich habe all dieses getan in der Meinung u[nd] in dem Willen, recht zu tun vor Gott. In Wahrheit war ich ungehorsam, obwohl ich ehrlich gefleht habe, Er möge mich auf Seinen Wegen leiten, dass meine Füsse nicht gleiten [vgl. Ps 17,5]; sie sind geglitten. Warum? Ich habe in all den Zweifeln wohl nicht still u[nd] geduldig genug gewartet, bis Er seinen Willen mir unzweideutig kundtat. Vielleicht war es auch so Sein unergründlicher, heiliger u[nd] heilsamer Ratschluss.
Liebste Frau, ich sterbe in der Gewissheit göttlicher Vergebung, Gnade u[nd] ewigen Heils; und in der gläubigen Zuversicht, daß Gott all das Unheil, Schmerz, Kummer, Not u[nd] Verlassenheit, das ich über Euch gebracht habe u[nd] das mir das Herz abpresst, aus Seinem unermesslichen Erbarmen in Segen wandeln kann, dass Er euch alle an Seinen Vaterhänden auf euren Erdenwegen geleiten u[nd] endlich zu Sich ziehen wird. Der Herr, unser Erbarmer, wird auch Deinen Schmerz allmählich lindern, Deinen Kummer sänftigen, Dein Leid stillen. Deine Liebe wird die gleiche bleiben, denn „sie höret nimmer auf“ [1Kor 13,8].
Meine gute Barbara, ich danke Dir aus tiefstem Herzen für alle Liebe u[nd] allen Segen, die Du mir in den 14 Jahren unserer Ehe geschenkt hast. Bitte vergib mir allen Mangel an Liebe. Ich habe Dich sehr viel mehr lieb, als ich Dir gezeigt habe. Aber wir haben eine Ewigkeit vor uns, um uns Liebe zu erweisen. Dieser Gedanke sei Dir ein Trost in der Trübsal Deiner Witwenjahre. Ich bin gewiss — sei Du es auch —, dass wir beide mit allen unseren Lieben wieder vereinigt werden in Gottes unaussprechlichem Frieden (der vollkommenste Ruhe u[nd] zugleich seligste Bewegung in göttlichem Dienst ist), in der Anbetung u[nd] unmittelbaren Erfahrung göttlicher Liebe, in der wunderbaren Geborgenheit in des Heilands Gnade u[nd] Güte, in der erlösten Seligkeit der Gotteskindschaft. Auch schon auf Erden gehörst Du zum Leibe Christi, dessen Gliedschaft aufs innigste erfahren wird im Sakrament des Altars, in der Gegenwart des Herrn, der alle die Seinigen — sie mögen vor oder hinter
der grossen Verwandlung stehen — auf wunderbare Weise zusammenschliesst.
Betet für mich den 126. Psalm; über ihn ging die letzte Predigt, die ich am Tage der Verhaftung in unserer Dorfkirche hörte. Und dazu betet den 103. Psalm, lobet u[nd] danket. Mein letzter Gedanke, liebste Frau, wird sein, dass ich Euch meine Lieben des Heilands Gnade u[nd] meinen Geist in Seine Hände befehle. So will ich glaubensfroh sterben. Und ich möchte, meine liebe Barbel, dass auch Du „die immer heitere Frau von Haeften“ bleibst! Scherze u[nd] lache mit unseren Kindern, herze sie u[nd] sei fröhlich mit ihnen; sie brauchen Deine Frohnatur, u[nd] wisse, dass nichts mehr nach meinem Sinne sein könnte. So grüße ich Euch, meine lieben Liebsten, mit dem alten Grußwort „Freuet Euch“ — „Freuet Euch in dem Herrn allewege und abermals sage ich: freuet Euch!“ [Phil 4,4] „Und der Friede Gottes bewahre Eure Herzen und Sinne in Christo“ [Phil 4,7).
Grüße u[nd] Küsse von mir unsere lieben Kinder, den lieben Janneman, den guten Dirkus, das treue Addalein, das köstliche Dörchen, das süsse Ulrikchen. Und Dich selbst, meine liebe allerliebste Frau, meine gute herzliebste Barbara, Dich küsse ich u[nd] umarme Dich u[nd] halte Dich an meinem Herzen mit den tiefsten flehendsten Wünschen für Zeit und Ewigkeit!
Dein Hannis
[seitlich:] Gib Mutti Abschrift. Ich hoffe ihr noch schreiben zu können. Adam grüsst Dich. Halte Liet u[nd] Clarita u[nd] Marion die Freundschaft.
Quelle und weitere Informationen: evangelischer-widerstand.de