Was bedeutet kuratieren heute? – Der Begriff des Kuratierens hat in den vergangenen Jahren einen Bedeutungswandel erfahren. Beschränkte er sich früher vor allem auf den Bereich der Konzeption und Realisation von Ausstellungen, so wird er heute sehr viel weiter gefasst. Gleichwohl befinden sich KuratorInnen immer noch an der Schnittstelle zwischen Kunst, Institution und Öffentlichkeit. In meinem aktuellen Seminar an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU) erkunden wir das Thema Kuratieren – und arbeiten ganz praktisch an der Konzeption einer Ausstellung.
In diesem Sommersemester lade ich die Studierenden der Friedrich-Alexander-Universität ein, an einer „Lernagentur“ teilzunehmen. Gemeinsam arbeiten wir an einem konkreten Ausstellungsprojekt. Unterstützt werden wir dabei von ExpertInnen aus dem Ausstellungswesen, darunter PR-Profis, Ausstellungsmacher oder KuratorInnen.
Pressefotograf Rainer Fechter
Ausgangspunkt der Lernagentur bildet der fotografische Nachlass des Pressefotografen Hans Rainer Fechter im Archiv des Evangelischen Presseverbands für Bayern e.V.. Der Nürnberger Fotograf hat in den 1980er und 1990er Jahren zahlreiche Ereignisse in der Region rund um Nürnberg mit seiner Kamera festgehalten. In seiner Dunkelkammer entwickelte er analog die Schwarz-Weiß-Fotos und verkaufte sie an Nachrichtenagenturen, Zeitungen und Magazine.
Ziel des Seminars ist es, eine kleine Ausstellung zum 80. Geburtstag des Fotografen Fechter zu erstellen. Diese soll einen Teil des Werkes präsentieren, aber auch die Bedingungen und Themen der journalistischen Pressefotografie in Nürnberg erkunden und untersuchen. Auftraggeber der Ausstellung ist der Evangelische Presseverband für Bayern e.V., Kooperationspartner sind unter anderem das landeskirchliche Archiv und das Diakoniemuseum Rummelsberg sowie die Ausstellungsplattform ausstellung-leihen.de.
Die Lernagentur beschäftigt sich auch mit dem Wandel eines Berufsstandes. Bereits im 19. Jahrhundert erschienen Zeitschriften, die mit Holzstichen illustriert wurden. Der technische Fortschritt ermöglichte den Abdruck von Fotografien – und begründete den Berufsstand der Pressefotografen.
Pressefotografen bedienten die Redaktionen mit einer Vielzahl aktueller Motive. Gleichzeitig gründeten sich die ersten professionellen Bildagenturen.
Schon früh begannen die Redaktionen, Fotos zu bearbeiten. Mit Retusche, Beschnitt und Collagen sollte die Wirkung der Fotos gesteigert werden. Schon während des Ersten Weltkrieges dienten Fotos auch der Propaganda.
Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte sich nicht nur der Berufsstand; auch die Vielfalt der Angebote nahm kontinuierlich zu. In den Bildredaktionen sind bis heute RedakteurInnen beschäftigt, die das journalistische Angebot mit Bildreportagen, Fotografien und Schnappschüssen bereichern.
„Kuratorisches Handeln stellt aktiv Öffentlichkeit her und bringt dadurch temporär heterogene Produktions- und Rezeptionsgemeinschaften hervor, die sich mit ergebnisoffenem Ausgang über ästhetische Vorlieben, erwünschte Tradierungen, multidirektionale Formen der Erinnerung, gesellschaftspolitische Ziele und als angemessen betrachtete Lebensweisen verständigen müssen.“
Annette von Tietenberg, Institut für Auslandsbeziehungen
Lernagentur: Ausstellungskonzept entwickeln in Echtzeit
Die Lernagentur des Masterstudiengangs „Medien – Ethik – Religion“ des Fachbereichs Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen können die Studierenden praktische Erfahrungen sammeln und ihren Wissensstand erweitern. Sie bekommen die Chance, sich intensiv mit einer komplexen Thematik auseinanderzusetzen und lernen kreative und innovative Methoden kennen, mit denen sie später arbeiten können.
Mit der Lernagentur bekommen die Studierenden die Gelegenheit, ein Projekt in Echtzeit zu betreuen. Nach einem ausführlichen Briefing und Kennenlernen der Materie sollen die Studierenden ihr Können unter Beweis stellen. Wie sieht Pressefotografie in Nürnberg aus? Wie waren die Arbeitsbedingungen für Pressefotografen in den 1980er Jahren? Welche Themen standen im Mittelpunkt? Nach einer Phase der Recherche und Analyse geht es mit Brainstormings und Gruppenarbeiten darum, ein tragfähiges Konzept für die Ausstellung zu entwickeln und inhaltlich daran zu arbeiten.